Dienstag, 23. Mai 2023

Giacomo Casanova und Hochmeister Clemens August von Bayern

In seinen Lebenserinnerungen beschreibt Giacomo Casanova sein Zusammentreffen mit Hochmeister Clemens August von Bayern, zugleich Kurfürst-Erzbischof von Köln.

Alles begann mit einem Maskenball in Bonn. Casanova, als Domino verkleidet, sprengte bei einem Pharao-Spiel die Bank. Er kehrte in sein Gasthaus zurück, wechselte sein Kostüm und begab sich erneut zum Ball. Später sprach ihn ein Bekannter an:

'»Der Kurfürst weiß alles und hat mir, um Sie für diese Hinterlist zu bestrafen, befohlen, Ihnen zu sagen, dass Sie morgen nicht abreisen werden.« »Er wird mich also verhaften lassen?« »Warum nicht, wenn Sie sich weigern, morgen bei ihm zu speisen!« »Sagen Sie Seiner Hoheit, ich sei in solchen Fällen gefügig und werde seinen Befehlen gehorchen. Wollen Sie mich wohl sofort vorstellen?« »Er hat sich bereits zurückgezogen, aber kommen Sie morgen Mittag zu mir.«'

Giacomo Casanova 

Zu diesem Zeitpunkt war Clemens August bereits 60 Jahre alt. So gerne er auch feierte, er blieb offenbar nicht bis zum Ende der Feierlichkeit. Bei Müdigkeit zog er sich zurück. Wir erfahren aber noch etwas anderes. Offensichtlich hatte der Hochmeister-Kurfürst sein Spitzelwesen, durch welches er alles in seiner Umgebung in Erfahrung bringen konnte.

Doch wir erfahren noch mehr:

'Ich erschien pünktlich zur verabredeten Zeit; aber als der Graf mich vorstellte, spielte ich einen Augenblick eine traurige Figur, denn der Kurfürst war von fünf oder sechs Hofleuten umgeben, und da ich ihn niemals gesehen hatte, so suchten meine Augen einen Geistlichen, den sie nirgends fanden. Er bemerkte meine Verlegenheit und machte derselben schnell ein Ende, indem er in schlechtem Venetianisch zu mir sagte: »Ich trage heute die Kleidung des Großmeisters des Deutschherrenordens.«'

Wie nicht anders zu erwarten, so war der Hochmeister-Erzbischof von einem kleinen Gefolge umgeben, von dem er sich jedoch nicht unterschied. »Ich trage heute die Kleidung des Großmeisters des Deutschherrenordens.« zeigt an, dass die Hochmeisterwürde etwas gelebtes war und nicht nur auf dem Papier stand. Es sagt aber auch etwas über seine Kleidung. Er trug offensichtlich 'Laienkleidung' und lediglich ein Deutschordenskreuz auf der linken Brust. Zudem machte er kein Aufsehen um seine Person, so dass er nicht weiter auffiel.

Clemens August von Bayern 

'Er bemerkte meine Verlegenheit und machte derselben schnell ein Ende, indem er in schlechtem Venetianisch zu mir sagte: »Ich trage heute die Kleidung des Großmeisters des Deutschherrenordens.« Trotz seiner Kleidung machte ich die übliche Kniebeugung; als ich ihm aber die Hand küssen wollte, verhinderte er mich daran, indem er mir herzlich die meinige schüttelte. Er sagte: »Ich war in Venedig, als Sie unter den Bleidächern gefangen saßen, und mein Neffe, der Kurfürst von Bayern, hat mir mitgeteilt, dass Sie sich nach Ihrer glücklichen Flucht einige Zeit in München aufhielten. Wenn Sie nach Köln gekommen wären, hätte ich Sie dort festgehalten. Ich hoffe, Sie werden nach Tisch so freundlich sein, uns die Geschichte Ihrer Flucht zu erzählen, werden dann zum Abendessen bleiben und an einer kleinen Maskerade teilnehmen, die wir zu unserer Belustigung veranstalten wollen.«'

Auch dies ist von großem Aufschluss. Offenbar sprach und verstand Clemens August also Venetianisch/Italienisch. Und es verrät auch, worüber er sich mit seiner Familie austauschte. Nämlich allgemeine Neuigkeiten, Klatsch und Tratsch. Und daraus machte er auch keinen Hehl, denn er begann sogleich einen Smalltalk, in welchen er das einfließen ließ. Seine unpretentiöse Art zeigt sich auch darin, dass er den Handschlag, in nicht offiziellen Treffen, einem Ringkuss verzog. Interessiert an interessanten Menschen, hat Clemens August ihn eingeladen und damit Aufschluss über einen seiner Tage gegeben.

'Sobald wir vom Tisch aufgestanden waren, bat er mich, meine Erzählung zu beginnen.'

Die Mahlzeit des Hochmeisters fand offensichtlich unter normaler Plauderei statt. Für solche Erzählungen begab man sich dann in einen separaten Raum. Quasi als gesonderte Veranstaltung. Es war zu "kostbar" um als Tischerzählung verschwendet zu werden.

'Der kleine Ball beim Kurfürsten war sehr nett. Wir waren alle als Bauern verkleidet, und die Anzüge wurden aus einer besonderen Garderobe des Fürsten geliefert. Die Damen hatten sich in einem anstoßenden Salon angekleidet.'

Offensichtlich fand so etwas regelmäßig statt, denn die Kostüme stammten aus einem Fundus des Kurfürsten. Den gäbe es nicht, handelte es sich um ein ungewöhnliches Ereignis. Auch scheinen sich, der Fundus verrät es, die Themen wiederholt zu haben. Das Ankleiden der Damen, in einem abstoßend Salon, deutet auch auf eine gewisse Routine hin.

'Es wurden nur Kontertänze und Allemanden getanzt. Von den anwesenden Damen gehörten nur vier oder fünf der vornehmen Gesellschaft an; alle anderen, mehr oder weniger hübschen, gehörten der Privatgesellschaft des Fürsten an, der sein ganzes Leben lang ein großer Liebhaber des schönen Geschlechtes war. Zwei von diesen Damen konnten die Furlana tanzen, und es machte dem Kurfürsten ein unendliches Vergnügen, uns tanzen zu sehen.'

Hier erfahren wir etwas über die bevorzugten Tänze des Hochmeisters. Auch erfahren wir, dass der Hochmeister sich offenbar gerne auch mit "Bürgerlichen" umgab. Denn, wenn auch versteckt angedeutet, bildeten diese hier wohl die Mehrheit. Charakter und Esprit waren also das Zugangstor zu Clemens August, nicht Rang und Adel. Dies besagt aber noch etwas anderes. Der Hof war kein hermetisch abgeriegelter Bereich und der Hochmeister-Kurfürst keine abgesonderte Person, denn sonst hätte er diese niemals kennengelernt. Zuletzt erfahren wir davon, dass Clemens August sich herzlich am Vergnügen anderer erfreuen konnte, auch wenn er selbst daran nicht teilhaben konnte. Das Clemens August zeitlebens einen Hang zu Frauen hatte, ist nichts neues. Es zeigt hier aber noch einmal auf, dass dies auch damals kein Geheimnis war.

'Bald nachher tanzte man einen gewissen Tanz, wo man bei einer gewissen Tour eine Tänzerin ergreift und sie küsst; ich tat mir keinen Zwang an, sondern küsste meine Schöne feurig, so oft es mir gelang, ihr zu begegnen. Der Bauer-Kurfürst lachte darüber aus vollem Halse, und der Bauer-General platzte vor Ärger.'

Der Tanz sagt viel über Clemens August aus. Ein Kind seiner Zeit, betrachte er den Tanz mit einem Kuss nicht als Unschicklich und konnte sich sogar über einen gewissen Übereifer amüsieren. Mehr noch. Offensichtlich war er ein Mensch, der aus vollem Halse, also laut, lachen konnte und es auch tat. Dies passt sehr gut zu der Beurteilung Casanovas über Clemens August.

'Er war ein fröhlicher, freundlicher und gutmütiger Mann, dessen ganze Erscheinung den Eindruck der Gesundheit machte, sodass sich sein nahes Ende gewiss nicht voraussehen ließ.'

siehe auch: Antonio Vivaldi

(Autor: P. Damian Hungs OT / www.damian-hungs.de)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Deutschordensbischof Heinrich Schenk

Die frühen Jahre des Heinrich Schenk liegen vollkommen im Dunkeln. Vermutlich einer Ministerialenfamilie entstammend, trat er in den Deutsch...