In diesem Artikel wollen wir uns fragen, ob man den Abbé des 18. Jahrhundert in unsere heutige Zeit, also das 21. Jahrhundert, übersetzen kann. Die Antwort ist ein eindeutiges „Ja“. Denn wenn wir uns die Gestalt des Abbé im 18. Jahrhundert anschauen, so handelt es sich bei ihm eigentlich um keine Zeitgebundenen Dinge. Vielmehr handelt es sich um einen Menschen seiner Zeit, der einer Zeitlosigkeit folgte.
Und damit sind wir schon mitten in einem religiösen Kontext. Denn Gott ist kein zeitgebundenes Ding, welches dann wieder aus der Mode kommt, wenn sich die Zeiten und der Geschmack sich ändern. Vielmehr ist Gott der „Ewige“. Und dies ist auch die Grundlage des Denkens eines „Abbé“. Vielleicht ist es also sinnvoll, den Abbé nicht als eine zeitgebundene Gestalt der Geschichte zu betrachten, sondern als eine Form der Spiritualität. Eine Spiritualität, die sich mit den Jahren und Jahrhunderten verändert, in ihrem Wesen aber gleichbleibend ist.
Damit hat der Abbé aber eine wirklich spannende Form angenommen. Denn er drückt eine Form der persönlichen Gotteserfahrung und der persönlichen Frömmigkeit aus. Ja, noch mehr. Er wird zu einer Form des Missionars. Unter seinen Zeitgenossen lebend, leugnet er zu keiner Zeit seine eigene geistliche Dimension und hebt den Aspekt Gottes als Urheber des Guten und des Schönen hervor. Ja, als den Guten und Schönen selbst.
Doch bremsen wir uns hier. Wir greifen vor.
Wir haben den Hang dazu, dass 18. Jahrhundert als einen geschlossenen Komplex zu betrachten. Doch war er das Wirklich? Tatsächlich hatte das Jahr 1720 soviel Ähnlichkeit mit dem Jahr 1770, wie das Jahr 1920 mit dem Jahr 1970. Die Menschen hatten sich verändert, die Zeitgeschichte hatte sich verändert. Und aus der Ferne kaum noch zu sehen, würde doch keiner von uns ernsthaft behaupten, dass es zwischen 1920 und 1970 kaum einen Unterschied gäbe. Und doch hat es in all dieser Zeit den Abbé gegeben. Er hat sich verändert. Wie sollte er auch nicht? Ist der Mensch doch immer ein Kind seiner Zeit. Geblieben ist diesen Personen jedoch eines, nämlich ein aus ihrem Glauben heraus geprägter Blick auf ihre Zeit – Spiritualität.
War es ein oberflächlicher Blick? Die Antwort können Sie sich leicht selbst geben. Ist das Bemühen um Menschen, welchen es nicht so gut geht wie uns oder ein Bemühen um den Umweltschutz, ein oberflächlicher Blick, oberflächliches Bemühen? Wir sollten bei unserem Blick auf diese Zeit nicht vergessen, dass es eine andere Mentalität war. Eine andere Mentalität, aber nicht unbedingt eine andere Wahrnehmung. Nur ein Beispiel. Hunger bleibt Hunger. Ob er im Jahre 2023 gelitten wird, oder im Jahre 1723. Und das Bemühen gegen diesen Hunger anzugehen ist gleich, auch wenn sich die Mittel unterscheiden.
Und genau hier liegt der Punkt. Die Mittel. Vielleicht ist es nicht immer so sinnvoll, wenn wir von außen auf alles schießen. Vielleicht ist es hier und da einmal sinnvoller hineinzugehen und die Verkrustung und Verhärtung von innen aufzuweichen. Den Optiker zu spielen und den Blick zu schärfen. Dinge sichtbar zu machen, die bis jetzt noch nicht gesehen wurden. Sicherlich kann man immer von außen die Festung sturmreif schießen. Doch sollten wir dabei die Kollateralschäden nicht aus dem Blick verlieren.
Gleichzeitig gebe ich aber auch zu, dass Abbé Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord im vollen Sinne als Abbé gehandelt hat. Sich die entsprechenden Informationen zu beschaffen traue ich Ihnen zu, hat er doch die Weltgeschichte verändert.
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