Papst Pius VI. gehört zu den großen, aber in Vergessenheit geratenen Päpsten der Kirchengeschichte.
Gianangelo Conte Braschi
Angelo Onofrio Melchiorre Natale Giovanni Antonio Braschi, kurz Gianangelo, wurde am 25. Dezember 1717 (Taufe am 27. Dezember) als Sohn einer alten Adelsfamilie in Cesena geboren. Er war der älteste Sohn des Grafen (Conte) Marco Aurelio Tommaso Braschi und der Anna Teresa Bandi und hatte noch drei Brüder und vier Schwestern.
Am Jesuitenkolleg in Cesena studierend, wurde er hier schon mit 18 Jahren (1734) zum Doktor beider Rechte (Staats- und Kirchenrecht) promoviert. Anschließend setzte er seine Studien an der Universität von Ferrara fort. Kurz darauf wurde er der Privatsekretär des päpstlichen Legaten Tommaso Ruffo, zugleich Kardinalbischof von Ostia und Velletri. Als Ruffo 1740 am Konklave teilnahm, nahm er seinen Sekretär als Konklavisten mit. Noch 1740 wurde Ruffo Dekan des Kardinalkollegiums und Braschi sein Auditor. Eine Position, die er bis zum Tode Ruffos (1753) beibehielt.
Mehrfach an den Hof von Neapel entsandt, brachten seine Fähigkeiten die besondere Wertschätzung von Papst Benedikt XIV. ein. So ernannte er Braschi 1753 zu einem seiner eigenen Sekretäre und 1755 auch zum Kanoniker des Petersdoms.
Kurz nach der Lösung seiner Verlobung, wurde er 1758 zum Priester geweiht. Im September des Jahres von Papst Clemens XIII. zum Päpstlichen Hausprälaten ernannt und zum Referenten der Apostolischen Signatur berufen, wurde er im September 1759 zum Rechnungsprüfer und Sekretär des Camerlengo Kardinal Carlo Rezzonico. Im Jahr 1766 ernannte Clemens XIII. Braschi zum Schatzmeister der Camera Apostolica, nachdem er bereits seit 1762 auch Consultor des Kardinalkollegiums war.
Am 26. April 1773 von Papst Clemens XIV. in das Kardinalskollegium berufen, wurde er am 10. Mai des Jahres zum Kardinalpriester von Sant'Onofrio. In den kommenden Jahren wurde er zudem Kommendatarabt von Subiaco, einer Territorialabtei, und von San Gregorio in Rom.
Konklave
In der Papstwahl von 1774/75, an der 44 Kardinäle teilnahmen, stand die Jesuitenfrage stark im Vordergrund. Braschi, der eigentlich ein Außenseiter war, rückte zunehmend ins Blickfeld. Zwar galt er in dieser Frage als gemäßigt, doch hofften die "Jesuitengegner" auf eine klare Beibehaltung des Kurses. Die 'Zelanti' hingegen hofften auf geheime Sympathien und ein entsprechendes Entgegenwirken. So ließen Spanien, Frankreich und Portugal ihre Einwände gegen eine Wahl Braschis fallen, was seine Wahl am 15. Februar 1775 ermöglichte.
Bei seiner Namenswahl an den Reformpapst Pius V. denkend, war er der letzte Papst, der erst nach seiner Wahl die Bischofsweihe empfing. Dies geschah dann am 22. Februar 1775 durch Kardinal Giovanni Francesco Albani, anschließend setzte ihm der Protodiakon Kardinal Alessandro Albani die Tiara auf.
Schnell wurde klar, dass der neue Papst keiner der widerstreitenden Parteien des Konklaves gerecht werden konnte. Zu stark waren die Differenzen. Doch schnell wurde auch klar, dass der neue Papst einen ganz eigenen Weg verfolgte.
Als erstes eröffnete er das von seinem Vorgänger angekündigte 'Heilige Jahr' und ging sodann das Problem der Korruption an, wozu er sogar den Gouverneur der Stadt Rom tadelte, da dieser mangelnden Eifer zeige. Zudem forderte er eine Rechenschaft über die Ausgaben und ernannte einen Kardinalsrat, der die Finanzen verbessern und die Steuerlast mindern sollte. Den Getreidekauf für die Bevölkerung subventionierten er zukünftig aus einer Streichung von Renten für Höflinge und Adlige. Auch sollten gesteigerte Landwirtschaftserträge zukünftig belohnt werden. Die Erweiterung und Vertiefung der Häfen von Terracina und Porto d'Anzio kurbelten den Handel des Kirchenstaates an wie such die Ausbesserung der Via Appia. Als Förderer der Künste baute er vor allem die Sakristei des Petersdomes. Sein Eintreten für die Armen, wie z. B. durch Schulgründungen, brachten ihm den Titel "Pater Patria" (Vater des Vaterlandes) ein. Auch gelang es ihm nicht nur die Pontischen Sümpfe in Rom auszutrocknen, sondern auch die bei Città della Pieve, Perugia und Spoleto.
In der Aufklärung sah der Papst ein besonderes Problem. Nicht nur, dass diese Positionen vertrat, welche mit dem Glauben der Kirche nicht vereinbar waren und sind, sondern such dem zunehmenden 'Staatskirchentum'. Dessen Ziel war es, die Katholische Kirche zu einem Teil der Staatsaufsicht zu machen und diese entsprechend zu formen.
Am 27. Februar 1782 brach Pius VI. von Rom auf, um Wien als "Pilger" zu besuchen. Hier wurde er zwar von Kaiser Josef II. großartig empfangen, doch konnte er letztlich nichts erreichen. Klöster wurden aufgelöst und Bistümer nach eigenem Gusto umgeschnitten. Erst der Emser Kongress, im Jahre 1786, auf dem mehrerer deutsche Erzbischöfe eine größere Unabhängigkeit erreichen wollten, konnte zu einem teilweisen Aufhalten führen.
Im November 1789 errichtete Pius VI. das Bistum Baltimore, womit er faktisch die USA anerkannte und die amerikanische Kirche von England trennte.
Pius VI., der in seinem Pontifikat 73 Kardinäle in 23 Konsistorien kreierte, hat keine Heiligdprechung vorgenommen, wohl aber 39 Seligsprechungen.
Mit dem Ausbruch der Französischen Revolution wurde nicht nur die Kirche in Frankreich unterdrückt, sondern auch die Staatsgebiete des Kirchenstaates um Avignon erobert. Im Gedankengut der Revolution sah der Papst ein Aufbegehren gegen die von Gott gewollte Gesellschaftsordnung und verurteilte entsprechend auch die in Frankreich beschlossene Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte und die Forderung auf einen Eid des Klerus auf die Zivilverfassung (Quod aliquantum, 1791 und Caritas, 1791). 1791 beendete der Papst die diplomatischen Beziehungen zu Frankreich.
1796 marschierte Napoleon in den Kirchenstaat ein. Einem Friedensgesuch des Papstes wurde am 19. Februar 1797 in Tolentino stattgegeben. Als es am 28. Dezember 1797 zu einem Aufstand kam, wurde der beliebte Brigadegeneral Mathurin-Léonard Duphot getötet. Der gesuchte Vorwand für eine weitete Invasion.
General Louis-Alexandre Berthier marschierte am 10. Februar 1798 in Rom ein, orderte vom Papst den Verzicht auf seine weltliche Herrschaft und proklamierte die Römische Republik. Da der Papst sich aber weigerte, wurde er gefangen genommen und am 20. Februar erst nach Siena und dann zur Certosa bei Florenz gebracht. Über Parma, Piacenza, Turin und Grenoble zur Zitadelle von Valence verbracht, wurde der Weg zu einem wahren Triumphzug. Obwohl absolute Geheimhaltung galt, strömten die Menschen zusammen, jubelten dem Papst zu und erbaten seinen Segen.
Für den alten Mann, er war immerhin 82 Jahre alt, bedeutete die Reise unendliche Strapazen. Vollkommen entkräftet verstarb er am 20. August 1799, kaum sechs Wochen nach seiner Ankunft in Valence. Der einbalsamierte Leichnam dürfte erst am 30. Januar 1830 in der Kathedrale von Valence beigesetzt werden. Napoleon Verbot nicht nur die Überführung nach Rom. Das Gefolge des Papstes konnte zwar die Beisetzung durch einen 'Verfassungsbischof' verhindern, doch dafür wurde Papst Pius VI. ohne jeglichen Gottesdienst beigesetzt. Erst am 24. Dezember 1801 konnte der Leichnam Valence verlassen und am 19. Februar 1802 in Rom, unter Anteilnahme seines Nachfolgers, in den Grotten des Petersdoms beigesetzt werden.
Noch kurz vor seinem Tode befreite der Papst die Kardinäle vom vorgesehenen Procedere der Papstwahl, so dass die Wahl seines Nachfolgers on Venedig stattfand.
Giacomo Casanova bezeichnet Pius VI. als einen "schönen Mann" mit sehr gepflegtem Haar und überaus angenehmen Umgangsformen. Persönlich Fromm, besuchte er immer wieder die verschiedenen Kirchen Roms zur privaten Andacht. Die Reiseberichte von Wien, München, Füssen zeigen zudem einen nahbaren Papst, der sich als interessierten Hirten zeigte. Im Kirchenstaat brachte der Papst eine Erbstreitigkeit vor Gericht. Als er diesen verlor, fügte er sich klaglos in das Urteil.
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