Papst Pius VI.


Giovanni Angelo Braschi wurde am 25. Dezember 1717 in der norditalienischen Stadt Cesena geboren. Er entstammte einer angesehenen Adelsfamilie, die dem niederen Landadel der Romagna angehörte. Seine Eltern, Marco Aurelio Tommaso Braschi und Anna Teresa Bandi, legten großen Wert auf die Ausbildung ihrer Kinder. Giovanni Angelo war das dritte von insgesamt acht Kindern – er wuchs also in einem lebhaften, traditionsbewussten Haushalt auf, der eng mit der katholischen Kirche verbunden war. Bereits in jungen Jahren zeigte er eine besondere Begabung für Sprachen und Geisteswissenschaften.

Seine erste Bildung erhielt er durch die Jesuiten, deren strenge Schulung ihn prägte. Später setzte er seine Studien an der Universität Ferrara fort, wo er sowohl das Kirchenrecht als auch das Zivilrecht mit dem Doktortitel abschloss – eine wichtige Voraussetzung für eine kirchliche Karriere in der römischen Kurie.

Seine kirchliche Laufbahn begann Braschi 1735 im Rom, wo er zunächst in untergeordneten Verwaltungsämtern tätig war. Dank seiner Intelligenz, seines diplomatischen Geschicks und der Unterstützung einflussreicher Förderer machte er rasch Karriere. 1740 wurde er Sekretär der Kongregation für das Konzil unter Papst Benedikt XIV. und diente später als Auditor beim päpstlichen Nuntius in Neapel, wo er sich einen Ruf als fähiger Diplomat und kultivierter Geistlicher erwarb. Nach seiner Rückkehr nach Rom 1753 erhielt er die Ehrenstellung eines Protonotars und wurde bald darauf Prälat der Römischen Kurie.

Trotz seiner erfolgreichen Verwaltungslaufbahn war Braschi bis zu seinem 49. Lebensjahr noch nicht zum Priester geweiht worden. Erst 1766 empfing er die Priesterweihe, wurde gleichzeitig Kommandatarabt von Subiaco und übernahm das Amt des Gouverneurs der Region – eine Position mit erheblichem politischem Einfluss. Dort zeigte er erneut sein Talent als umsichtiger Verwalter und Förderer religiöser Bildung.

Im Jahr 1773 wurde Giovanni Angelo Braschi von Papst Clemens XIV. zum Kardinalpriester der Titelkirche Sant’Onofrio erhoben. Als Kardinal war Braschi Mitglied mehrerer bedeutender vatikanischer Kongregationen, in denen er sich durch juristische Präzision, politische Mäßigung und tiefes theologisches Verständnis hervortat. Er setzte sich für die Rechte der Kirche gegenüber den europäischen Staatsmächten ein und verteidigte behutsam die Autorität des Heiligen Stuhls – ein Verhalten, das ihm den Ruf eines standhaften, aber diplomatisch geschickten Kirchenmannes einbrachte. Die von Clemens XIV. 1773 verfügte Aufhebung des Jesuitenordens betrachtete er mit kritischer Distanz, hielt sich jedoch öffentlich zurück, was ihm Sympathien bei verschiedenen kirchenpolitischen Lagern einbrachte.

Papstwahl

Nach dem Tod von Papst Clemens XIV. am 22. September 1774 wurde das Konklave zur Wahl seines Nachfolgers einberufen. Es begann am 5. Oktober 1774 und zog sich ungewöhnlich lange hin – insgesamt 126 Tage – bis zum 15. Februar 1775. Dies machte es zum zweitlängsten Konklave des 18. Jahrhunderts. Die Verzögerung war vor allem den Spannungen zwischen den Fraktionen der Zelanti und der politisch orientierten Kardinäle geschuldet, ebenso wie den Interessen der katholischen Großmächte Europas, die Einfluss auf die Wahl nahmen.

Giovanni Angelo Braschi galt zunächst als Außenseiter, wurde aber durch seine ausgleichende Haltung, seine Bildung, seine Frömmigkeit und sein unbeflecktes Ansehen zunehmend zu einem Konsenskandidaten. Am 15. Februar 1775 wurde er im Konklave zum Papst gewählt und nahm den Namen Pius VI. an.

Da er zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Bischof geweiht war, empfing er die Bischofsweihe am 22. Februar 1775, dem Tag seiner feierlichen Krönung. Die Weihe wurde durch den Kardinalbischof von Ostia, Gian Francesco Albani, vollzogen, der als Dekan des Kardinalskollegiums traditionell diese Aufgabe übernahm.

Frühes Pontifikat


Mit der Wahl Giovanni Angelo Braschis zum Papst am 15. Februar 1775 begann ein Pontifikat, das sich bald als eines der längsten des 18. Jahrhunderts erweisen sollte – und zugleich als eines der herausforderndsten. Pius VI. übernahm die Leitung der Kirche in einer Zeit des politischen Umbruchs, des aufklärerischen Denkens und wachsender Spannungen zwischen der römischen Kurie und den katholischen Monarchien Europas.


Sein Pontifikat war von Beginn an durch das Bemühen gekennzeichnet, die Autorität des Heiligen Stuhls zu stärken und die Folgen der von seinem Vorgänger Clemens XIV. verfügten Aufhebung des Jesuitenordens (1773) zu bewältigen. Pius VI. war innerlich dem Orden durchaus zugetan, wagte es aber nicht, die Entscheidung öffentlich zu revidieren, da er den politischen Widerstand der bourbonischen Monarchien fürchtete. Stattdessen strebte er an, den Jesuiten in geistiger Hinsicht eine Rückkehr zu ermöglichen, indem er auf lokaler Ebene Wiederzulassungen duldete – etwa in Russland und Preußen, wo katholische Gebiete unter protestantischen Monarchen eine gewisse Unabhängigkeit von Rom bewahrten.


Ein zentrales Anliegen seiner frühen Amtszeit war die kirchliche Disziplin und Reform innerhalb des Kirchenstaates. Pius VI. legte besonderen Wert auf Ordnung, Verwaltungseffizienz und Moral in der Geistlichkeit. Er führte Maßnahmen gegen Korruption in der Kurie ein, versuchte jedoch gleichzeitig, den Einfluss staatlicher Regierungen auf kirchliche Angelegenheiten zurückzudrängen. Sein Reformwille traf allerdings auf die strukturelle Trägheit des vatikanischen Apparats sowie auf das Erstarken des „Staatskirchentums“ in vielen Ländern Europas.

Reise nach Wien


Ein besonders schwieriger Konflikt entwickelte sich mit dem Kaiserhof in Wien. Unter dem Einfluss der Aufklärung leitete Joseph II. In Österreich zahlreiche kirchliche Reformen ein, die als Josephinismus bekannt wurden. Dazu gehörten die Einschränkung klösterlicher Autonomie, die Neugestaltung der Diözesen, die Verstaatlichung des Schulwesens und eine generelle Unterordnung der Kirche unter den Staat. Pius VI. sah darin eine gefährliche Relativierung der geistlichen Autorität und entschloss sich zu einem außergewöhnlichen Schritt: Er reiste im Jahr 1782 persönlich nach Wien, um den Kaiser zur Mäßigung zu bewegen – eine in der Neuzeit seltene päpstliche Auslandsreise.

Die Reise begann am 22. Februar 1782 und dauerte mit Hin- und Rückweg rund vier Monate. Am 22. März traf Pius VI. in Wien ein, wo er mit großem höfischen Zeremoniell empfangen wurde. Der Aufenthalt selbst erstreckte sich über mehrere Wochen. Der Papst wurde sowohl vom Hof als auch vom Wiener Volk mit Respekt aufgenommen, doch sein eigentliches Ziel – die Rücknahme oder wenigstens Einschränkung der josephinischen Reformen – blieb unerreicht. Joseph II. begegnete ihm mit kühler Höflichkeit, machte aber deutlich, dass seine politischen Maßnahmen nicht zur Disposition standen.


Trotz des ausbleibenden diplomatischen Erfolgs war die Reise ein starkes symbolisches Signal: Der Papst zeigte sich als aktiver Hirte, der bereit war, selbst die Mühen weiter Wege auf sich zu nehmen, um für die Rechte der Kirche einzutreten. Der Besuch in Wien stärkte zwar nicht die kirchliche Position in den habsburgischen Erblanden, wohl aber das Ansehen des Papstes in anderen Teilen Europas, wo er als standhafter Verteidiger der kirchlichen Freiheit wahrgenommen wurde. Pius VI. kehrte im Sommer 1782 nach Rom zurück, bewusst geworden, dass die päpstliche Autorität künftig neue Mittel und Wege finden musste, um gegen die wachsenden staatlichen Einflüsse zu bestehen.

Bis zur Französischen Revolution

In Italien bemühte sich Pius VI., die wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung des Kirchenstaates zu fördern. Er ließ Straßen ausbauen, das Wasserversorgungssystem modernisieren und beauftragte bedeutende Bauprojekte in Rom, darunter die Fertigstellung des Brunnens auf dem Petersplatz und Restaurierungen an antiken Monumenten. Die Förderung von Kunst, Architektur und Wissenschaft entsprach seinem Ideal eines repräsentativen, aufgeklärten, aber frommen Papsttums.

Gleichzeitig trat Pius VI. entschieden gegen antikirchliche und rationalistische Tendenzen in Philosophie und Theologie auf. Er verurteilte unter anderem die von der Aufklärung beeinflusste Theologie einiger französischer und deutscher Theologen, die den Vorrang staatlicher Gesetze über kirchliches Recht forderten. Die päpstliche Enzyklika „Inscrutabile divinae sapientiae“ (1775) war ein früher Versuch, die Kirche gegen den wachsenden Einfluss des Rationalismus und Säkularismus zu verteidigen.


Trotz seiner konservativen Haltung war Pius VI. kein reiner Traditionalist. Er versuchte, zwischen Reformbereitschaft und Wahrung der katholischen Lehre zu vermitteln. Doch während er einerseits Modernisierungen im Kirchenstaat zuließ, trat er andererseits energisch gegen Eingriffe der Staaten in die inneren Belange der Kirche ein – ein Spannungsfeld, das sich in den kommenden Jahren dramatisch verschärfen sollte.

Bis zum Jahr 1789, dem Beginn der Französischen Revolution, bewegte sich Pius VI. in einem fragilen Gleichgewicht zwischen geistlicher Autorität und politischer Realität. Die revolutionären Umbrüche, die bald Europa erschüttern sollten, kündigten sich bereits an, doch bis zu diesem Zeitpunkt blieb die Kirche unter seiner Führung weitgehend stabil, wenn auch zunehmend unter Druck.

Revolution, Exil und Tod

Mit dem Ausbruch der Französischen Revolution im Jahr 1789 begann für Papst Pius VI. die wohl dramatischste Phase seines Pontifikats. Die Umwälzungen in Frankreich bedeuteten nicht nur einen politischen und gesellschaftlichen Bruch in Europa, sondern trafen auch die katholische Kirche ins Mark. Für den Papst, der stets auf die Unveräußerlichkeit kirchlicher Autorität und die göttliche Legitimität monarchischer Herrschaft pochte, war die Revolution eine existenzielle Bedrohung.

Bereits in den ersten Jahren der Revolution wurde die Stellung der Kirche in Frankreich massiv geschwächt. 1790 verabschiedete die Nationalversammlung die sogenannte Zivilverfassung des Klerus, die den Klerus dem Staat unterordnete, das kirchliche Eigentum verstaatlichte und Bischöfe sowie Priester zu Beamten der Republik machte, die durch Volkswahl bestimmt wurden. Diese Reformen bedeuteten eine radikale Umgestaltung des französischen Kirchenwesens und stellten eine direkte Infragestellung der päpstlichen Autorität dar.


Pius VI. reagierte mit tiefer Empörung. Er verurteilte die Zivilverfassung in mehreren päpstlichen Schreiben scharf, unter anderem in der Bulle Quod aliquantum (1791) und Caritas (1791). Er erklärte die neuen, vom Staat eingesetzten Bischöfe und Priester für illegitim und forderte die Gläubigen auf, an der alten kirchlichen Ordnung festzuhalten. Diese Haltung führte zu einer tiefen Spaltung innerhalb der französischen Kirche zwischen konstitutionellen Priestern und romtreuen „refraktären“ Geistlichen.

Die Beziehung zwischen Frankreich und dem Heiligen Stuhl verschlechterte sich rapide. Nach der Hinrichtung Ludwigs XVI. im Januar 1793 brach Pius VI. endgültig mit der Revolution. In seinen Schreiben und Predigten verurteilte er das „Verbrechen von Paris“ und warnte vor einem moralischen und religiösen Verfall Europas. Die Französische Republik antwortete mit antiklerikalen Maßnahmen, der Verfolgung romtreuer Priester, der Einführung eines atheistischen „Kultes der Vernunft“ und schließlich mit einem militärischen Vorgehen gegen den Kirchenstaat selbst.

Im Jahr 1796 marschierten französische Truppen unter General Napoleon Bonaparte in Norditalien ein. Der Papst versuchte zunächst, durch Verhandlungen und Zugeständnisse eine Eskalation zu vermeiden. Doch 1797 kam es in Rom zu Unruhen, bei denen der französische General Duphot ums Leben kam. Dies bot der französischen Republik den Vorwand, militärisch gegen den Vatikan vorzugehen. Anfang 1798 besetzten französische Truppen Rom, riefen die kurzlebige Römische Republik aus und erklärten die weltliche Herrschaft des Papstes für beendet.

Pius VI. wurde am 20. Februar 1798 verhaftet. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits ein gebrechlicher, über 80-jähriger Mann. Die französischen Besatzer behandelten ihn mit einer Mischung aus formeller Höflichkeit und harter Entschlossenheit. Er wurde seiner weltlichen Würden beraubt, seines Hofes beraubt und von nur wenigen engsten Vertrauten begleitet. In einer Sänfte wurde er unter strenger Bewachung durch Mittelitalien geführt – eine demütigende Reise durch das Land, das einst das Zentrum seiner Macht gewesen war.

Das Exil gestaltete sich als monatelange Odyssee: Von Rom führte sein Weg über Siena, wo er kurze Zeit im Kloster der Chartreuse verweilte, dann weiter nach Florenz, Bologna, Parma und Turin. In jeder Stadt wurde er von französischen Soldaten streng überwacht. Die Quartiere waren meist karg und oft ungeheizt, was seinem angeschlagenen Gesundheitszustand schwer zusetzte. Die Reise, die sich über viele Wochen hinzog, war besonders im Winter beschwerlich. Pius VI. litt unter Gelenkschmerzen, Herzbeschwerden und allgemeiner Schwäche. Zeitzeugen berichten, dass er viele Tage kaum sprechen konnte und sich dennoch weigerte, seine geistliche Autorität aufzugeben oder öffentlich zu widerrufen.

Im August 1799 wurde er schließlich in das südfranzösische Valence überführt. Dort wurde er im ehemaligen Kloster der Karmeliter unter Arrest gestellt. Die Franzosen erlaubten ihm zwar seelsorgerlichen Beistand und gaben ihm einen kleinen Haushalt, dennoch blieb er ein Gefangener – abgeschnitten von der Weltkirche, ohne Zugang zu Nachrichten aus Rom oder zum Kardinalskollegium. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich rapide. Zeitgenössische Berichte schildern ihn als geistig klar, aber körperlich völlig erschöpft.

Am 29. August 1799 starb Papst Pius VI. in Valence, weit entfernt von der Ewigen Stadt, die er jahrzehntelang regiert hatte. Der französische Staat verweigerte zunächst eine Überführung. Erst einige Jahre später – unter veränderten politischen Bedingungen – konnten seine sterblichen Überreste nach Rom überführt und mit kirchlichen Ehren im Petersdom beigesetzt werden.

Charakter und äußere Erscheinung

Papst Pius VI. galt als ein Mann von stattlicher Erscheinung und eindrucksvollem Auftreten. Zeitzeugen beschrieben ihn als groß gewachsen, mit gepflegtem Äußeren und edlem Gesichtsausdruck. Seine Gesichtszüge waren regelmäßig, sein Blick wach und durchdringend, was seiner Autorität Nachdruck verlieh. Trotz seines fortgeschrittenen Alters bewahrte er lange eine würdevolle Haltung, und sein Auftreten war von Anmut und höfischer Eleganz geprägt. Selbst in seiner Gefangenschaft achtete er auf Würde in Kleidung und Verhalten – ein äußeres Zeichen seines unbeugsamen Selbstverständnisses als Stellvertreter Christi.


Auch sein Charakter war von einer gewissen majestätischen Haltung geprägt. Giovanni Angelo Braschi war ein Mann mit ausgeprägtem Pflichtbewusstsein, großer Gelehrsamkeit und tief verwurzeltem Glauben. Er verfügte über umfassende humanistische Bildung, liebte die lateinische Sprache, die klassische Literatur und förderte Kunst und Wissenschaft. Als Papst zeigte er sich zugleich entschieden wie diplomatisch, wenngleich er bisweilen zu Unnachgiebigkeit neigte – besonders, wenn es um Fragen kirchlicher Autorität ging.

Pius VI. war kein Mann der Revolution, sondern ein Kind des Ancien Régime. Er glaubte an die göttliche Ordnung von Kirche und Monarchie und hielt auch in schwerster Bedrängnis unbeirrt an seinen Prinzipien fest. Dennoch war er kein dogmatischer Fanatiker. Er bemühte sich um Reformen im Inneren der Kirche und war offen für wissenschaftlichen Fortschritt, solange er nicht mit dem katholischen Glauben in Konflikt geriet.

Persönlich war Pius VI. höflich, kultiviert und menschenfreundlich, aber auch stolz und sich seines Amtes sehr bewusst. In seiner langen Regierungszeit zeigte er große Ausdauer, persönliche Tapferkeit und bemerkenswerte Würde – insbesondere im Exil, das er als Leidensweg im Geiste christlicher Standhaftigkeit annahm. Sein Tod fern von Rom wurde von vielen Gläubigen als Märtyrertod für die Freiheit der Kirche empfunden.

Alltägliche Lebensgewohnheiten und persönliche Vorlieben

Papst Pius VI. führte, besonders in den frühen Jahren seines Pontifikats, einen geregelten und disziplinierten Tagesablauf, wie es seiner Herkunft aus dem Verwaltungsapparat der Kurie entsprach. Er war ein Frühaufsteher und begann den Tag meist mit einem längeren Morgengebet sowie der Feier der heiligen Messe in seiner Privatkapelle. Anschließend widmete er sich der Lektüre von kirchlichen und politischen Berichten sowie theologischen Schriften. Er war ein aufmerksamer Leser klassischer lateinischer Autoren, besonders Ciceros und Vergils, und schätzte kunstvolle Rhetorik und saubere Stilistik.

Pius VI. legte großen Wert auf Etikette und förmlichen Anstand. In seiner päpstlichen Residenz pflegte er einen gewissen zeremoniellen Prunk, den er jedoch nicht aus bloßem Luxusbedürfnis beibehielt, sondern als Ausdruck der Würde des Apostolischen Stuhls verstand. Sein Geschmack war elegant, aber nicht überladen. Er bevorzugte edle Stoffe, besonders Samt und Seide, sowie eine fein durchdachte Raumgestaltung in den vatikanischen Gemächern. In seiner Freizeit schätzte er Musik – insbesondere Kirchenmusik – und war Förderer bedeutender Komponisten seiner Zeit.

In kulinarischer Hinsicht war Pius VI. eher maßvoll. Er bevorzugte die schlichte italienische Küche, insbesondere Speisen aus seiner Heimat Emilia-Romagna, wie Polenta, gedünstetes Gemüse, Eintöpfe und einfach zubereitetes Fleisch. Wein genoss er in Maßen, oft zum Abendessen, allerdings stets zurückhaltend. Übermäßiger Genuss war ihm fremd – auch aus asketischer Überzeugung.

Pius VI. war kein Freund ausschweifender Jagdgesellschaften oder ausgelassener Feste, wie sie an manchen Fürstenhöfen üblich waren. Er zog ruhige Spaziergänge in den Gärten des Vatikans oder in Castel Gandolfo vor, wo er sich während der Sommermonate gern aufhielt. Diese Zeiten nutzte er zur inneren Sammlung, zum Studium und zur geistlichen Reflexion.

In seinen zwischenmenschlichen Beziehungen galt er als höflich und verbindlich, aber mit einem gewissen Abstand. Er pflegte ein enges Verhältnis zu einigen Vertrauten aus seiner früheren Laufbahn, war jedoch stets bedacht, seine päpstliche Würde zu wahren und familiäre oder persönliche Bindungen nicht über die Amtsführung zu stellen. Als Mann tiefer Frömmigkeit führte er regelmäßig geistliche Übungen durch und empfing häufig die Sakramente.


Auch im hohen Alter, selbst im Exil, versuchte er seine Lebensgewohnheiten so gut wie möglich beizubehalten – so etwa das tägliche Breviergebet, das Schreiben geistlicher Notizen und das Anhören von Berichten seiner Begleiter. Trotz aller Einschränkungen hielt er an der Ordnung seines Tages fest, was ihm innere Stabilität und Trost in der äußeren Not gab.

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