Ignace Maloyan, geboren am 8. April 1869 in Mardin im damaligen Osmanischen Reich, gehört zu den herausragenden Gestalten der armenisch-katholischen Kirche des frühen 20. Jahrhunderts. Sein Geburtsname lautete Shukrallah Maloyan, und er entstammte einer tiefgläubigen armenisch-katholischen Familie. Schon früh zeigte sich seine geistliche Begabung und Ernsthaftigkeit. Im Alter von vierzehn Jahren wurde er in das Kloster und Priesterseminar des armenisch-katholischen Patriarchats in Bzoummar (Libanon) aufgenommen, wo er eine umfassende Ausbildung in Theologie, Philosophie und orientalischem Kirchenrecht erhielt. Neben seiner theologischen Bildung zeichnete er sich durch seine Mehrsprachigkeit aus: Er sprach fließend Armenisch, Arabisch, Türkisch und Französisch sowie die kirchlichen Sprachen Italienisch und Latein.
Am 12. Juli 1896 empfing Maloyan die Priesterweihe und nahm den geistlichen Namen Ignatius an – in bewusster Erinnerung an Ignatius von Antiochien, den frühen Märtyrerbischof, dessen Glaubenstreue ihn tief beeindruckte. In den folgenden Jahren wirkte er als Seelsorger in verschiedenen Gemeinden des Nahen Ostens, unter anderem in Alexandria und Kairo, wo er durch seine Predigten, seine pastorale Sorge und sein asketisches Leben große Achtung erwarb. Seine tiefe Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu wurde zu einem prägenden Element seiner Spiritualität und sollte später auch das religiöse Leben in seiner Diözese nachhaltig beeinflussen.
Am 22. Oktober 1911 ernannte Papst Pius X. ihn zum Erzbischof der armenisch-katholischen Erzdiözese von Mardin. In einer Zeit, die vom schwindenden Einfluss des Osmanischen Reichs, wachsender nationalistischer Spannungen und einer zunehmend repressiven Religionspolitik geprägt war, widmete sich Maloyan mit großem Eifer der Erneuerung des kirchlichen Lebens. Er reformierte die Priesterausbildung, förderte die Liturgie in armenischer Sprache und rief die Gläubigen zu sozialer Verantwortung und Glaubenstreue auf. Zeitzeugen berichten von seiner großen persönlichen Bescheidenheit, seiner Sanftmut, aber auch seiner unerschütterlichen Entschlossenheit, wenn es um die Verteidigung des Glaubens ging.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs verschärfte sich die Lage der christlichen Minderheiten im Osmanischen Reich dramatisch. Die jungtürkische Regierung verfolgte zunehmend eine Politik der ethnischen Homogenisierung, die besonders die armenische Bevölkerung traf. Im Frühjahr 1915 begann die systematische Verfolgung und Deportation der Armenier – ein Vorgang, der heute als Völkermord an den Armeniern bezeichnet wird. Auch in Mardin wurde die armenisch-katholische Gemeinde bald Ziel von Drohungen, Verhaftungen und Gewaltakten.
Am 3. Juni 1915 wurde Erzbischof Maloyan zusammen mit zahlreichen Geistlichen und Laien seiner Diözese verhaftet. Die Behörden beschuldigten ihn, die Armenier zur Auflehnung gegen den Staat anzustiften – ein Vorwurf, der frei erfunden war, aber als Vorwand diente, um die kirchliche Führung zu beseitigen. In den folgenden Tagen wurde Maloyan schwer gefoltert. Die Protokolle der Zeitzeugen berichten, dass ihm wiederholt der Übertritt zum Islam angeboten wurde, um sein Leben zu retten. Maloyan lehnte dies entschieden ab und erklärte: „Ich habe mein Leben Christus geweiht; ich kann meinen Glauben nicht verleugnen.“
Am 11. Juni 1915 wurde Ignatius Maloyan gemeinsam mit mehreren hundert armenischen Christen außerhalb von Diyarbakir erschossen. Seine letzten Worte, überliefert von Mitgefangenen, lauteten: „Mein Gott, sei mir gnädig; in Deine Hände empfehle ich meinen Geist.“ Mit seinem Tod bezeugte Maloyan seine unerschütterliche Treue zum Glauben und wurde zum Symbol des Leidens und der Hoffnung seiner Kirche.
Nach dem Ersten Weltkrieg geriet sein Name für einige Jahrzehnte weitgehend in Vergessenheit, bis die armenisch-katholische Kirche in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begann, systematisch das Gedächtnis ihrer Märtyrer zu pflegen. Am 7. Oktober 2001 sprach Papst Johannes Paul II. Erzbischof Ignatius Maloyan in Rom selig. In der offiziellen Begründung heißt es, er habe „den Tod in odium fidei, aus Hass gegen den Glauben, erlitten und sein Leben in heroischer Treue zu Christus hingegeben“.
Im Jahr 2025, im Rahmen einer umfassenden Würdigung der armenisch-katholischen Märtyrer des 20. Jahrhunderts, wurde sein Heiligsprechungsprozess abgeschlossen. Papst Franziskus genehmigte die Kanonisation, die am 19. Oktober 2025 im Vatikan gefeiert werden soll.
Ignatius Maloyans Leben und Tod stehen exemplarisch für das Schicksal vieler armenischer Christen, die während des Ersten Weltkriegs Opfer von Vertreibung, Deportation und Massakern wurden. Sein Zeugnis verbindet persönliche Frömmigkeit mit moralischer Standhaftigkeit und macht ihn zu einer der bedeutendsten Gestalten der armenisch-katholischen Kirche. In der religiösen Erinnerung seines Volkes gilt er als „Hirte, der sein Leben für seine Schafe gab“ (Joh 10,11) – ein Märtyrer, dessen Mut, Bildung und Glaubenstreue auch ein Jahrhundert später über konfessionelle und kulturelle Grenzen hinweg inspirieren.
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