Charles de Foucauld


Der Vicomte Charles de Foucauld wurde am 15. September 1858 in Straßburg geboren. Er entstammte einer alten französischen Adelsfamilie, wuchs jedoch nicht in behüteter Geborgenheit auf. Bereits im Alter von sechs Jahren verlor er beide Eltern. Fortan lebte er im Haus seines Großvaters – materiell abgesichert, aber ohne feste religiöse Prägung. Schon früh stellte sich bei ihm eine innere Leere ein, die er später selbst als ein Leben „ohne Gott und ohne Hoffnung“ beschrieb.

1876 trat er in die bedeutendste Offiziersschule Frankreichs ein, die École spéciale militaire de Saint-Cyr. Nach seiner Ausbildung wurde er Kavallerieoffizier. Etwa von 1880 bis 1882 diente er in Algerien. Dort lebte er demonstrativ gegen militärische Konventionen, missachtete wiederholt die Disziplin und führte offen eine Beziehung. Die Konflikte mit seinen Vorgesetzten spitzten sich zu. Schließlich wurde er nach Frankreich zurückbeordert und 1882 unehrenhaft aus dem Militärdienst entlassen. Seine militärische Laufbahn endete abrupt – und mit ihr ein Lebensentwurf, der ohnehin nie wirklich der seine gewesen war.


Befreit von Pflichten und Bindungen, wandte er sich dem Reisen und der Forschung zu. Zwischen 1883 und 1884 durchquerte er – als Jude verkleidet – weite Teile Marokkos, eines Landes, das für Europäer damals kaum zugänglich war. Seine präzisen geographischen und ethnografischen Aufzeichnungen verschafften ihm wissenschaftliche Anerkennung. Doch während sein äußeres Ansehen wuchs, blieb sein Inneres unruhig. Besonders die selbstverständliche, tiefe Religiosität der Muslime, denen er begegnete, begann in ihm eine neue Sehnsucht zu wecken.

Zurück in Paris suchte er das Gespräch mit dem Priester Henri Huvelin. Im Oktober 1886 geschah, was er später selbst als den tiefsten Wendepunkt seines Lebens bezeichnete: Nach Jahren der Ferne kehrte er durch die Beichte zum Glauben zurück. Von diesem Moment an wollte er nicht mehr für sich selbst leben, sondern radikal für Gott.

1890 trat er in den strengen Orden der Trappisten ein und begann sein Ordensleben in der Abtei Notre-Dame des Neiges in den Cevennen. Schon bald folgte er einer Neugründung des Ordens im Nahen Osten, dem Kloster Notre-Dame de la Trappe d’Akbès. Aber auch die extreme Askese des Klosters erschien ihm schließlich noch nicht radikal genug. 1897 verließ er den Orden, noch vor den ewigen Gelübden, um einen noch ärmeren, noch stilleren Weg zu gehen.

Er lebte mehrere Jahre in Nazareth als einfacher Diener bei den Klarissen – verborgen, schweigend, unbekannt. Dort formte sich endgültig seine Berufung. Am 9. Juni 1901 wurde er im Priesterseminar von Viviers zum Priester geweiht. Die Weihe spendete ihm der Bischof Joseph-Marie-Antoine de Montéty.

Nach seiner Bekehrung hielt er nur noch losen Kontakt zu seiner Familie. Seine wichtigste Bezugsperson war seine Cousine Marie de Bondy in Paris. Er besuchte sie mehrfach für kurze, nüchterne Aufenthalte – nicht zur Geselligkeit, sondern zur geistlichen Beratung und zur Vorbereitung seines späteren Lebens in völliger Armut. Ein bequemes Familienleben lehnte er bewusst ab.

Unmittelbar nach der Priesterweihe zog er in die Sahara. Zunächst ließ er sich in Béni Abbès nieder, später unter den Tuareg im Hoggar-Gebirge, bis er schließlich dauerhaft in Tamanrasset lebte. Dort führte er ein nahezu vollkommen verborgenes Dasein: Er teilte das Leben der Nomaden, lernte ihre Sprache, pflegte Kranke, schlichtete Streitigkeiten und arbeitete zugleich an einem umfassenden Wörterbuch ihrer Sprache.

Er wollte kein Missionar im herkömmlichen Sinn sein. Seine Verkündigung bestand nicht in Worten, sondern im Dasein selbst – in Nähe, Freundschaft, Geduld und stiller Treue.

Während des Ersten Weltkriegs verschärfte sich die politische Lage in der Region dramatisch. Am 1. Dezember 1916 wurde Charles de Foucauld bei einem Überfall in seiner Einsiedelei erschossen.


Zu Lebzeiten blieb er nahezu unbekannt. Doch nach seinem Tod begannen seine Briefe, Gebete und geistlichen Texte zu wirken. Sie inspirierten zahlreiche neue geistliche Gemeinschaften. Der kirchliche Seligsprechungsprozess begann 1927. 2005 wurde er seliggesprochen, und am 15. Mai 2022 erfolgte seine Heiligsprechung durch Papst Franziskus.

Charles de Foucauld bleibt eine der eindrucksvollsten Gestalten moderner christlicher Spiritualität: ein Mensch, der den Weg vom privilegierten Offizier und Lebemann zum radikal armen Einsiedler unter den Nomaden der Sahara ging – getragen allein von dem Wunsch, mitten unter den Vergessenen ganz für Gott und für die Menschen zu leben.

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