Der Abbé ist für viele Menschen vor allem ein Begriff des 18. Jahrhunderts. Er bezeichnet Mitglieder des geistlichen Standes, vom Bischof bis zu den Minores. Aber er bezeichnet noch mehr. Denn keiner wäre auf die Idee gekommen, den Pfarrer von XY als Abbé zu bezeichnen.
Der Abbé bezeichnete vor allem Geistliche eines bestimmten Lebensstils. Eines Lebensstils, den wir heute als „Höfisch“ bezeichnen würden, was aber unsere beschränkte Sicht hervorhebt. Es war vielmehr eine Mischung aus gutem Benehmen, Bildung, Eleganz und Weltgewandtheit.
Beginnen wir einmal mit der Bildung. Von einem Abbé wurde selbstverständlich eine umfassende Bildung verlang. Heute würden wir von einer breiten Allgemeinbildung sprechen. Und selbstverständlich wurde auch erwartet, dass er sich hierbei auf dem Laufenden hielt. Er war es, mit welchem man sich über viele Themen unterhalten konnte. Hatte er doch ein breitgefächertes Interesse, war belesen und hielt sich über das Neueste auf dem Laufenden. Auch wusste er sich gut auszudrücken. Das er seine nähere Umgebung einmal verlassen und diese oder jene Reise unternommen hat, davon konnte man getrost ausgehen.
Seine Ausdrucksweise war eine Frucht seiner Bildung, wie auch seiner Erziehung und seines Umgangs mit Menschen, welche er außerhalb seiner Umgebung kennengelernt hatte. Stets freundlich und eloquent, nie besserwisserisch oder belehrend, galt er als angenehmer Gesprächspartner. Grundkenntnisse an Fremdsprachen (Französisch, Italienisch...) waren ihm geläufig, in der Möglichkeit des Lesens und vielleicht auch der Konversation. Latein, was heute die englische Sprache ist, war für ihn kein Problem. Weder im Lesen, noch im Sprechen. Niemals war die Ausdrucksweise hart und fordernd, vielmehr freundlich und animierend. Als Gesprächspartner wirkte er jederzeit interessiert.
Von seiner Kleidung stets als Geistlicher zu erkennen, legte er hierbei jedoch einen gewissen Wert auf Eleganz. Auch wenn er nicht in schwarzer Kleidung einherging, so trug er doch stets sein Bäffchen. Ein Gebot der Höflichkeit, denn seinem Gegenüber stand eine klare Zuordnung einfach zu. Die „Verkleidung“ des Kurfürst-Erzbischofs Clemens August von Bayern erwähnt Giacomo Casanova in seinen Lebenserinnerungen entsprechend negativ, brachte es ihn doch in eine unangenehme Situation.
Wie alle Herren ihrer Zeit, so legte natürlich auch der Abbé einen gewissen Wert auf Schmuck. Sei es der Herrenring oder die elegante Schnupftabakdose.
Das der Abbé Tischmanieren besaß, darüber braucht man nicht zu sprechen. Er wusste um den richtigen Umgang mit dem Besteck und der leichten Konversation während einer Mahlzeit. Überhaupt auch darum, dass eine gute Konversation keine Verfänglichkeiten in sich birgt und das Gegenüber in keine unangenehmen Situationen führt.
Der Abbé galt als ein rundum angenehmer Zeitgenosse der Gesellschaft, welcher durch seine Umgangsformen und seine Bildung mehr bewirken konnte, denn wir heute meinen. Nicht ohne Grund wurde er immer wieder gerne für diplomatische Missionen eingesetzt. Ohne offensichtlichen Auftrag und auf angenehme Art und Weise, so wusste er immer wieder Inhalte zu vermitteln. Denn häufig kam es nicht darauf an, was man sagt, sondern darauf, wie man sich in einem gewissen Umfeld bewegt und Konversation betreibt.
Teil 2